CAPPUCCETO ROSSO
 
 
                       
 
 
René Pollesch

"(beiseite): Er ist nichts wert, aber ich kann es ihm nicht sagen. Ich muss es immer verschweigen. Die Verachtung muss hinter unserem Rücken stattfinden." Maria Tura, Polens größte Schauspielerin, verliert bei einer Probe zu "Die Nazischickse" ihren Zauber. Er war das Einzige, womit sie sich in diesem neoliberalen Scheiß hier bewegen konnte. Er war ihre einzige Möglichkeit an das Glück heranzukommen. Und an Geld. Sie weiß ja, dass sie sich ehrlich nicht zu schaffen machen kann. Durch Techniken etwa, mit denen wir uns hier durchschlagen, und die wir für uns halten, mit "Selbsttechnologien, die an Regierungsziele gekoppelt werden können" (Foucault). Maria Tura: "Ich hab meinen Zauber verlorn! Was mach ich bloß! Jetzt hab ich nur noch meine Fähigkeiten, die wer weiß wem gehörn." Was bedeuten Glücksversprechen, wenn niemand des Glückes würdig sein kann? Wenn wir es uns gar nicht verdienen können! Wir kommen ja auch nicht an die Liebe, weil wir sie verdient haben. Und vielleicht kommen wir auch nicht an Geld, weil wir es verdient haben. Maria Tura: "Ich muss mich doch jetzt nicht mit so einer bürgerlichen Scheiße wie Inspiration beschäftigen oder doch?" Im Repräsentationstheater sind die Leben gezwungen, noch etwas mit Rollen zu tun zu haben, mit einer alteuropäischen Subjektivität und sozialen Begegnungen, die vielleicht nur noch Ausstellungswert haben. "Dass ich immer denke, wenn du so vor mir stehst, dass deine Handlungen immer noch irgendwas Menschliches repräsentieren und nicht längst ein ökonomisch rationales Handeln und Taktieren. Ich steh vor dir und kann einfach immer nie begreifen, dass deine knappen Mittel natürlich nur eingesetzt werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen." Der Prater widmet sich in dieser Spielzeit der Heterosexualität als Problem, dem Mittelstand als Problem und der Repräsentation als Problem, und damit auch dem Repräsentationstheater, also jener Problemtheaterform, in der gesellschaftliche Konflikte dargestellt oder ausgestellt werden, und auf ihren Ausstellungswert hin überprüft, aber nicht bearbeitet werden können. Also es geht nicht um die Probleme, die die Betroffenen haben, sondern um das Problem, das sie darstellen. Also ein Perspektivwechsel und eine Bearbeitung der traditionellen Panzerung dieser Begriffe gegen ihre Thematisierung. Man spricht immer über die andern.

Regie und Text: René Pollesch. Bühne: Bert Neumann. Kostüme: Tabea Braun. Mit: Christine Groß, Caroline Peters, Sophie Rois und Volker Spengler. In Salzburg am 24. August und die Berliner Premiere am 1. Oktober im Prater.

 
         
               
                 
                       
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