Prenzlauer Berg - die Baugeschichte
 

 
                       
  Ab den 1840er Jahren bebauten die ersten Berliner die stadtnahen Gebiete zunächst mit kleinen, zweigeschossigen Häusern, deren Dächer sie später ausbauten, um weiteren Wohnraum zu schaffen. Doch schon Ende der 1850er Jahre wurden diese Gebäude auf die gesamte Grundstücksbreite erweitert, tiefer gebaut und bis auf vier Etagen aufgestockt. In den 60er Jahren schlossen sich langsam die letzten Lücken, sodass bis zu 300 Meter von der Stadtmauer entfernt geschlossene viergeschossige Häuserzeilen entstanden waren.
Die Fassaden waren einfach und hatten wenige Verzierungen und nur selten Balkone. Hinter den Vorderhäusern entstanden nun Wirtschaftsgebäude und Werkstätten, die in der folgenden Zeit auf zwei Etagen aufgestockt und über einen Seitenflügel mit dem Vorderhaus verbunden wurden. Eine Nutzung als Wohnraum untersagten die Behörden aber größtenteils noch. Erst in den 1870ern wurden mehrgeschossige Hinterhäuser und Seitenflügel als Wohnraum üblich.

Die Stadt wuchs in den 1870ern fortwährend, nicht zuletzt durch die fünf Milliarden Goldfranc Kriegsentschädigung nach dem Deutsch-Französischen Krieg und die Ernennung Berlins zur Reichshauptstadt 1871. Lebten 1870 noch 800.000 Menschen in Berlin, konnte sich die Stadt schon in der zweiten Hälfte der 70er Jahre zu einer der weltweit sieben Millionenstädte zählen. In dieser Zeit industrialisierten Baugesellschaften den Wohnungsbau. Sie schufen ganze Fabriken, die nur mit der Produktion von Baumaterial beschäftigt waren, und auf dem Gelände des heutigen Helmholtzplatzes errichtete der Holländische Aktienbauverein sogar eine eigene Ziegelei. So konnte ein ganzes Grundstück mit fünfgeschossigem Vorderhaus, Seitenflügel und Hinterhaus in nur einem halben Jahr vom ersten Spatenstich bis zur Fertigstellung bebaut werden.

Zwischen 1878 und 1881 errichtete der Magistrat auf einem knapp 48 ha großen Gelände östlich der Landsberger Allee den „Central-Vieh- und Schlachthof“ - mit Bahnanschluss. Für viele Jahrzehnte war er eine der modernsten europäischen Anlagen dieser Art. 1886 folgten an der Prenzlauer Allee das Städtische Hospital (seit 1934 Bezirksamt Prenzlauer Berg) und das Städtische Obdach als Obdachlosenasyl. 1889 wurden im Stadtgebiet 13 Markthallen errichtet, um den Verkauf an zentrale Stelle zu verlagern und somit die Qualität der Waren überwachen zu können. In der Knaackstraße entstand die Markthalle XIII, die jedoch zu groß bemessen und aufgrund der Standgebühren sehr schlecht ausgelastet war.

Zur Jahrhundertwende erreichte die Bebauung die Danziger Straße. Die Investoren ließen die neu erschlossenen Grundstücke sehr dicht bebauen, sodass man sich gezwungen sah, Ende des 19. Jahrhunderts einige Einschränkungen in der Bauordnung zu erlassen. Ab 1887 verbot der Magistrat das Errichten von Kellerwohnungen (es gab ca. 100.000 dieser Art in ganz Berlin) und 1897 gab es erstmals Vorschriften für größere Innenhöfe, sodass sich nun meist zwei Nachbargrundstücke einen Innenhof teilten, um den Anforderungen gerecht zu werden. Die aufkommende Praxis, einen Hof mit zwei Seitenflügeln zu umbauen wurde somit unterbunden. Trotzdem durften weiterhin zwei Drittel des Grundstücks bebaut werden, bei bereits bebauten Grundstücken lag diese Grenze gar bei drei Vierteln.

Zwischen 1895 und 1910 entstanden Jahr für Jahr etwa 100 neue Häuser, auch die Seitenstraßen wurden nun dicht bebaut. In dieser Zeit ähnelten sich die Häuser immer mehr, und das typische Prenzlauer-Berg-Haus entstand: das 18 Meter breite Grundstück war auf voller Breite mit einem fünfgeschossigen Vorderhaus bebaut, in dessen unterstem Stockwerk Ladengeschäfte untergebracht waren. Darüber befanden sich pro Etage zwei Wohnungen, von der eine einen länglichen Raum hatte, der in den Seitenflügel hineinragte und von einem Fenster dort das Licht bekam: heute sind diese Räume unter dem Namen Berliner Zimmer bekannt. Mit dem Nachbargrundstück teilte man sich einen Hinterhof - das wohl typischste Zeichen der so genannten Mietskasernen, von denen es in Prenzlauer Berg noch heute über 3.000 gibt. Im Hinterhaus gab es pro Etage meist vier Wohnungen für ärmere Bevölkerungsschichten. Insgesamt bestand ein solches Haus also aus ein bis zwei Läden und dreißig bis vierzig Wohnungen. Je mehr sich der Aufbau der Häuser glich, umso mehr wurden sie einmalig verziert. Die aufkommende industrielle Produktion verschiedenster, genormter und daher zueinander passender Fliesen sorgte dafür, dass jedes Haus anders wirkte.
Eine Statistik vom Anfang des Jahrhunderts zeigt, wie dicht Berlin besiedelt war. So lebten in London pro Haus im Schnitt gerade einmal acht Menschen, in New York 17 - im gesamten Berlin waren es 76 und im Prenzlauer Berg um die 110.

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg verlor der Prenzlauer Berg an Bedeutung. Dazu trug die schlechte Anbindung an die Innenstadt bei, denn es existierte zwar die Ringbahn, aber es war keine Schnellbahn ins Zentrum vorhanden. Es existierten nur langsame Pferdeomnibuslinien. Später wurden sie zwar zu Pferdeeisenbahnlinien ausgebaut, aber dennoch waren sie der mobilen Bevölkerung zu langsam. Die Planungen für eine Hochbahn vom Alexanderplatz zum Ring existierten zwar seit Anfang des Jahrhunderts, doch wehrten sich die Anlieger der Schönhauser Allee gegen die Ausführung der Bahn als Hochbahn statt als Untergrundbahn. Gegen diese Stimmen beschloss der Magistrat die Ausführung als Hochbahn im Februar 1906, die Anlieger wehrten sich aber weiterhin, indem sie notwendige Grundstücke für den Bahnhofsbau nicht verkauften. Die Linie konnte erst am 27. Juli 1913 eröffnet werden.

Die Bautätigkeit in Prenzlauer Berg nahm zum Anfang der 1910er Jahre ab. 1914, mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs, kam die Bautätigkeit ganz zum Erliegen. Als der Krieg 1918 endete, kam es so einmal mehr zu großer Wohnungsnot. Die Wirtschaft lag am Boden und viele der Kriegsheimkehrer zog es in die Großstädte. Das bisher wenig genutzte Obdachlosenasyl an der Prenzlauer Allee, die „Palme“ (so genannt, weil anfangs eine Palme in einem Kübel am Einlass gestanden haben soll) stieß an die Grenzen seiner Kapazität - häufig nächtigten hier über 4000 Menschen. Die neue sozialdemokratische Regierung versuchte zudem, Neubauten sozialer zu gestalten, indem sie das Baurecht verschärfte und Höchstmieten festlegte. Die Gebäude dieser Zeit unterscheiden sich stark von den Gebäuden vor dem Ersten Weltkrieg. Neubauten waren sozialer und waren vor allem so gestaltet, dass die in ihnen lebende Bevölkerung bessere Lebensbedingungen vorfand. In dieser Zeit herrscht der Bauhaus-Stil vor. Verzierungen nach außen fielen weg. Die Häuser zeichnen sich durch einfache, unverzierte Vorderseiten aus.

So entstanden Ende der 20er Jahre Tausende neue Wohnungen im Prenzlauer Berg. Zu den bekanntesten Berliner Siedlungen dieser Zeit gehören die durch Bruno Taut und Franz Hoffmann 1927/28 errichtete GEHAG-Siedlung (siehe Foto) zwischen Greifswalder, Grell- und Rietzestraße in der Nähe des S-Bahnhofs Greifswalder Straße, und die Wohnstadt Carl Legien (Taut und Franz Hilliger, 1928-30), ebenfalls in der Erich-Weinert-Straße (zwischen Gubitz- und Sültstraße). Weitere Beispiele sind Tauts Wohnanlage in der Paul-Heyse-Straße im östlichen Teil des Bezirks (1926/27) sowie der Bereich der nördlichen Dunckerstraße (Gudvanger Straße bis Prenzlauer Allee, 1926-28 von Paul Mebes, Paul Emmerich, Eugen Schmohl und anderen).

Das Stadtbild des Prenzlauer Berges veränderte sich in den 30er Jahren kaum. Einige provisorische Gebäude ersetzte man durch Neubauten, die Siedlungen zwischen Eberswalder und Topsstraße (1937) und an der heutigen Anton-Saefkow- und John-Scheer-Straße (1939) entstanden, viele Straßen und Bürgersteige wurden saniert. Mit Beginn des Krieges kamen sämtliche Bautätigkeiten vollkommen zum Erliegen.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die neue Verwaltung eine Schadensbilanz erstellen und somit jedes Haus klassifizieren. Da der Prenzlauer Berg keine Flächenbombardements ertragen musste, fiel diese Bilanz im Gegensatz zu anderen Bezirken relativ positiv aus. Etwa 10% der Gebäude galten als vollkommen zerstört, 7% als schwer beschädigt und 11% als „wieder herstellbar“. 72% der Gebäude hingegen waren nur leicht beschädigt und bewohnbar. Andere innerstädtische Bezirke wie Mitte und Tiergarten hatten 50% Verlust an Bausubstanz zu beklagen, der von der Bebauung ähnliche Friedrichshain 40%. Inwieweit der Prenzlauer Berg als Arbeiterbezirk von den Alliierten absichtlich nicht bombardiert wurde, ist ungeklärt. Von Zerstörungen besonders betroffen waren strategische Ziele, also das Gaswerk, Bahnanlagen und wichtige Zufahrtsstraßen.
Schon relativ schnell begannen die Hausbesitzer, die Schäden zu reparieren und Lücken zu schließen. Dabei ging man behutsam vor, sodass der Gründerzeitstil erhalten blieb. Fassaden wurden zwar meist vereinfacht wiederhergestellt, Neubauten fügten sich aber in Größe und Form gut ins Stadtbild ein.

Einen starken Einschnitt in die Stadtstruktur gab es am 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer. Die städtebaulich stark verbundenen Bezirke Wedding und Prenzlauer Berg wurden praktisch über Nacht getrennt. Die Bilder von Menschen, die aus Häusern in der Bernauer Straße teilweise mehrere Stockwerke tief in den Westen sprangen, gingen um die Welt. Entlang der Grenze entstand ein Sperrgürtel, der durch Gebäudeabrisse geschaffen wurde. 

Mit ihrem Konzept für Berlin mit der Konzentration auf das Zentrum um den Alexanderplatz förderte die DDR-Führung die großen Chausseen - Schönhauser Allee, Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße. Den Wohnarealen dazwischen widmete sie sich nicht. Die alten gewerblichen Gebäude in den Höfen, die nun ungenutzt waren, verfielen ebenso wie die eigentliche Wohnsubstanz. Das Wohnungsbauprogramm der DDR war fast ausschließlich auf den Bau von Plattenbausiedlungen in bisher unbebauten Gebieten ausgelegt - im Altbaubestand wurden nicht einmal dringende Reparaturen durchgeführt. Durch das Desinteresse des Staates an der Bausubstanz wusste man teilweise nicht einmal mehr, welche Wohnungen noch bewohnbar beziehungsweise bewohnt waren oder wer sich dort niedergelassen hatte. Die Einwohnerzahl sank rapide - vor allem junge Familien mit Kindern verließen den Bezirk, um in moderne Plattenbauwohnungen zu ziehen. In dieser Zeit bildete sich das alternative Flair des Bezirks. Wohnungen insgesamt waren knapp und mit ein wenig Einsatz und Durchhaltewillen kam man hier schneller an eine eigene Wohnung als anderswo. 

Jahr für Jahr stieg die Zahl der unbewohnbaren Wohnungen. Die wenigen Instandsetzungen konnten dies nicht ansatzweise ausgleichen. Mitte der 70er Jahre änderte sich die Lage. Die immer noch vorhandenen Planungen, den ganzen Bezirk oder zumindest den Süden abzureißen, um Plattenbauten zu errichten, legte man aufgrund der Wohnungsnot auf Eis und die Stadtplanungsbüros waren nun angewiesen, Lösungen zu finden. Kurze Zeit später lief das erste Pilotprojekt rund um den Arnimplatz an. Die Überbauung wurde durch Abriss von Seitenflügeln und Quergebäuden reduziert, auf den Freiflächen Spielplätze angelegt und die verbleibenden Gebäude von Grund auf saniert. Durch Entkernungen und Grundrissvergrößerungen sank die Zahl der Wohnungen in dieser Zeit um 15%. Trotzdem sahen die DDR-Oberen das Projekt nicht als Erfolg an, denn es wurden keine neuen Wohnungen geschaffen, für die Bewohner mussten gar Ausweichwohnungen freigehalten werden.
Stattdessen riss man das im Mai 1981 stillgelegte Gaswerk an der Danziger Straße ab, um den schon zu NS-Zeiten bestehenden Plan, einen Volkspark anzulegen, umzusetzen. Die unter Denkmalschutz stehenden Gasometer - praktisch Wahrzeichen des Bezirks - wurden dabei unter dem Vorwand statischer Probleme, gegen den Widerstand von Denkmalschützern und einer der in der DDR seltenen Bürgerinitiativen, am 28. Juli 1984 gesprengt. Der für DDR-Zeiten starke zivile Widerstand sprach sich für eine kulturelle Nutzung aus, wurde aber ignoriert. Ein neu errichtetes Planetarium an der Prenzlauer Allee sollte die Gemüter beruhigen. Auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerkes entstanden neben dem „Ernst-Thälmann-Park“ inklusive gewaltigem Thälmann-Denkmal auch Hunderte neuer Plattenbauwohnungen. Offizielle Einweihung war am 15. April 1986. Auch auf unbebauten Gartengrundstücken östlich der Greifswalder Straße entstand eine Plattenbausiedlung.

Vorbereitend für die 750-Jahr-Feier Berlins 1987 wurde Anfang der 80er auch wieder begonnen, Altbauten zu sanieren. Die Husemannstraße am Kollwitzplatz sollte praktisch als Freilichtmuseum das Gebiet um die Jahrhundertwende zeigen. Auch in anderen Straßen stieg die Zahl der Sanierungen - aber nur, weil die Bausubstanz sonst kaum länger zu halten gewesen wäre. Schätzungsweise zwei Drittel der Dächer waren undicht. Die langfristigen Planungen des Staates sahen anders aus. Für das Jahr 1989 waren großflächige Abrissarbeiten im Bereich Rykestraße vorgesehen. So sollte Platz für neue Plattenbauten entstehen. In den Protokollen der Beratungen darüber finden sich eindeutige Vermerke darüber, dass auch dies kurzfristig geschehen sollte, um Widerstand in der Bevölkerung keine Chance zu lassen. Beispielsweise sollte der Magistrat umgangen werden. Nur die politische Wende im Land ließ diese Planungen nie Wirklichkeit werden. 

Zur Wende lebten trotz des Neubaus der Plattenbausiedlungen nur noch ca. 160.000 Menschen im Prenzlauer Berg - nur noch halb so viel wie noch Ende der 20er Jahre. Bleierne Wasserleitungen genauso wie undichte Gasleitungen, durch die unzählige Straßenbäume starben, waren erneuerungsbedürftig. Viele Wohnungen mussten noch immer mit Kohle beheizt werden und noch Anfang der 1980er gab es im Prenzlauer Berg über 16.000 Etagenklos. So wurde der Prenzlauer Berg Anfang der 1990er Jahre zum wohl größten Sanierungsgebiet Mitteleuropas. In fünf ausgeschriebenen Sanierungsgebieten wurde die Sanierung von 32.202 Wohneinheiten gefördert. Dabei sank die Anzahl der Wohnungen durch Vergrößerung der Fläche (z.B. zum Einbau von Innentoiletten) weiter. Sank diese Anzahl schon von 1981 bis 1991 um 2000, so waren es 1995 mit 86.435 Wohneinheiten nochmals 3000 Wohnungen weniger.

Heute sind große Teile des Bezirks saniert und bilden das größte Gründerzeitgebiet Deutschlands - 67% aller Wohnungen stammen aus den wenigen Jahrzehnten zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg. Durch den Prozess der Gentrifizierung können sich allerdings einige der ursprünglichen Mieter das Leben dort nun nicht mehr leisten, dafür nimmt die Gastronomie ständig zu. Einige der ursprünglichen Bewohner klagen auch über einen veränderten Charakter des Viertels, anstatt einer dort oft vermuteten auch politischen Szene stände heute größtenteils Konsum im Vordergrund, die weiterhin vorhandene Armut im Bezirk werde gerne übersehen.

 
 
                 
                       
          Kunst und Kultur im Prenzlauer Berg       Geschichte
                       

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