Aus der Biografie von Hans Rosenthal  
  Biografisches in der Zeitschrift "vor Ort"

Zwei Leben

v. Hartmut Seefeld

Die letzte Amtshandlung des letzten Bürgermeisters von Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer, lässt an Symbolik nichts zu wünschen übrig. In der Winsstraße 63 enthüllte er letzten Dezember eine Gedenktafel für den Fernsehmoderator Hans Rosenthal, der hier seine Kindheit verlebte. Der Künstler und Überlebenskünstler, Jude mit christlichen Vorfahren und Wanderer zwischen den Welten, verkörpert wie nur wenige das Selbstverständnis eines Stadtteils, der bis heute stolz darauf ist, als besonders unkonventionell und auch multikulturell zu gelten, wo deutsch-deutsches Miteinander in einer Intensität gelebt wird wie sonst nirgends.

Erstes Leben

Hans Rosenthal wurde am 2. April 1925 im Jüdischen Krankenhaus in Wedding geboren, wuchs aber im Quartier an der Winsstraße in Prenzlauer Berg auf. Sein Vater war Angestellter der Deutschen Bank. 1931 wurde Rosenthal in die 58. Volksschule in der Heinrich-Roller-Straße eingeschult, die er vier Jahre lang besuchte. Ein Jahr nach der Einschulung wurde sein Bruder Gert geboren.

Sein Wechsel in die Jüdische Mittelschule in der Großen Hamburger Straße im Jahre 1935 hat vor allem mit dem veränderten Klima nach der Machtergreifung der Nazis 1933 auch im Kiez an der Winsstraße zu tun. "Als die anderen Jungen ins Jungvolk gingen, durfte ich nicht daran teilnehmen. Ich habe sehr darunter gelitten, dass ich auf einmal nicht mehr dazugehörte, obwohl meine Spielkameraden sich eigentlich alle gut benommen haben zu mir", reflektierte Rosenthal in einem Rundfunkgespräch 1979 seine Kindheit in Prenzlauer Berg. Der Wechsel an die Jüdische Schule, ohne Aussicht auf Abitur, ließ die Kontakte zu den Freunden aus der Nachbarschaft ganz abreißen.

Die erste ganz große Zäsur gab es 1937, als sein Vater auf Grund seines jüdischen Glaubens entlassen wurde und wenige Wochen später, 36jährig, an Nierenversagen starb. Ein Jahr später erlebte der 13jährige Rosenthal die Pogromnacht, sah den Brand der Synagoge in der Oranienburger Straße, die zersplitterten Schaufensterscheiben in der Winsstraße, begegnete dem zusammengeschlagenen Elektrohändler aus der Immanuelkirchstraße. Die bislang hintergründig erlebte Gewalt gegen Juden wurde plötzlich sehr real. Und auch die Familie ist noch längst nicht an die Grenzen der Leidensfähigkeit gestoßen. Die Mutter erkrankte 1939 an Krebs und starb zwei Jahre später. Der kleine Bruder Gert kam in die Baruch-Auerbach'sche Waisenerziehungsanstalt in der Schönhauser Allee. Um ihm zur Seite zu stehen, kehrte Hans Rosenthal aus einem Vorbereitungslager für Palästina-Emigranten in Jessen nach Berlin zurück und lebte ebenfalls einige Monate in dem Waisenhaus. Als die Zöglinge der Anstalt, unter ihnen Bruder Gert, am 19. Oktober 1942 auf Nimmerwiedersehen mit dem 21. Osttransport nach Riga deportiert wurden, war Hans Rosenthal aufgrund seines Alters bereits in ein Jugendheim verlegt worden. Als auch die Heiminsassen hier gen Osten verschickt wurden, war er zur Zwangsarbeit nach Torgelow abkommandiert. Im März 1943 flüchtete er von dort und tauchte in Berlin unter. In der Lichtenberger Gartenkolonie "Dreieinigkeit" waren es drei mutige Frauen, die ihn versteckten und so das Leben retteten.

Zweites Leben

Nach seiner Befreiung im April 1945 meldete sich der junge Rosenthal in Lichtenberg bei der Polizei. "Ich war wütend, ich wollte SS-Männer suchen. Und da habe ich drei Tage mitgemacht". Doch dann zog es ihn zum Rundfunk. "Ich hatte in der Laube ein kleines Radio, da konnte ich immer diese furchtbaren Nachrichten und Kommentare hören, und da hatte ich dann die Illusion, dass ich jetzt den Leuten über das Mikrofon sagen muss, dass jüdische Menschen genauso sind wie alle anderen auch..., ich wollte Politik machen, keine Unterhaltung".

Rosenthal landete zuerst beim russisch kontrollierten Berliner Rundfunk, der damals noch im Funkhaus an der Masurenallee residierte. Doch schon bald geriet er mit dem totalitären Klima an diesem Sender in Konflikt, und so wechselte er 1948 zum RIAS, wo er eine fast beispiellose Rundfunk- und später Fernsehkarriere startete. Mit Rundfunksendungen wie "Wer fragt, gewinnt" oder "Allein gegen alle" und Fernsehauftritten in "Gut gefragt ist halb gewonnen" und natürlich "Dalli Dalli" wurde er in Ost und West gleichermaßen beliebt und berühmt. Auch nebenher machte Rosenthal Karriere. Er wurde Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, Präsident des Fußballklubs Tennis Borussia und bekam 1980 neben vielen anderen Auszeichnungen die Silberne Kamera als "zweitbeliebtester Unterhaltungsstar aller Zeiten". Hans Rosenthal starb 1987 an Krebs.
 

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